Stellungnahme des VfW zum Referentenentwurf des BMWK und des BMWSB zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes et al.
(Ergänzung 20.04.23: Stand der Verbändeanhörung – zur Lüftung mit WRG/ Abwärme aber keine Änderung im Kabinettsbeschluss vom 19.04.2023. Das Folgende gilt somit weiterhin bzw. entsprechend.)
Übersicht
- Grundsätzliche Unterstützung für die Ziele des Referentenentwurfes – Zielerreichung aber nur bei Nutzung aller Optionen realistisch – Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung (vermeidbare Lüftungswärmeverluste!) fehlt!
- Efficiency First! und WRG = EE!
- Vermeidbare Lüftungswärmeverluste im GEG adressieren
- Ergänzung des §71 RefE durch den Begriff „Vermeidbare Lüftungswärmeverluste“
- Neubauten und Sanierungen mit Lüftungsanlagen mit WRG, um Effizienzziele zu erreichen
- Verankerung der Lüftungsanlagen mit WRG im Referenzhaus
- Kombination der Wärmerückgewinnung mit Stromdirektheizungen/ Biomasse
- Gasetagenheizungen
Jüngste Studienergebnisse
Die Studie „Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung als nachhaltige Schlüsseltechnologie zur Erreichung der Klimaziele (COP-Äquivalenzstudie)“, die vom ITG et al. im Mai 2022 für den VfW erstellt wurde (abrufbar hier), kommt zu folgenden Ergebnissen:
- Ventilatorgestützte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung (WRG) ist extrem effizient und damit eine Schlüsseltechnologie für die Wärmewende (in Neubau und Sanierung).
- Sie erzielt Leistungszahlen (eingesetzte elektrische Energie zu gewonnener Heizenergie) von ca. 11 bis 25, was sogar die bereits sehr guten Leistungszahlen von Wärmepumpen (3-6) noch weit übertrifft.
- Die höchsten Leistungszahlen erreicht die ventilatorgestützte Wohnraumlüftung mit WRG bei niedrigen Außentemperaturen, was sie zu einer hervorragenden Komplementär- technologie der Wärmepumpe macht, die speziell bei höheren Außentemperaturen effizienter ist.
- Nicht nur an wind- und sonnenarmen Wintertagen trägt die Wärmerückgewinnung zur Entlastung des Stromnetzes bei, das daher desto kleiner dimensioniert werden kann (um bis zu 10 GW Spitzenlast*), je mehr die ventilatorgestützte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung in Neubau und Sanierung eingesetzt wird.
- Auch Heiztechnik und Wärmenetze können aufgrund der verbesserten Effizienz durch Lüftung mit Wärmerückgewinnung kleiner ausfallen. *Basierend auf der Annahme, dass die Hälfte der Wohneinheiten in Deutschland mit dieser Technologie ausgestattet wird.
*Basierend auf der Annahme, dass die Hälfte der Wohneinheiten in Deutschland mit dieser Technologie ausgestattet wird.
Ergebnisse der zweiten ITG-Kurzstudie zur WRG als Schlüsseltechnologie der Wärmewende
(Veröffentlichung im April 2023, nach Einreichung dieser Stellungnahme)
Microsoft Word – 2023-04-20 Stellungnahme des VfW zur GEG-Novelle final-inkl Bemerkung zum Inhalt nach Kabinettsbeschluss
- Mit ventilatorgestützten Wohnungslüftungssystemen können die vermeidbaren Lüftungswärmeverluste und damit der Energiebedarf, sowohl im Neubau als auch in der Bestandssanierung, wesentlich reduziert werden.
- Im Gebäudesektor soll gegenüber 2023 laut Klimaschutzgesetz bis 2030 eine Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen um 35 Mill. t/a erreicht werden. Gelingt es bis dahin, 10% des Gebäudebestandes mit Lüftung mit Wärmerückgewinnung auszustatten, könnte die Wohnungslüftung dazu mit einer Minderung der Treibhausgasemissionen um etwa 2 Mill. t/a mehr als 5% beitragen! Dafür ist bis 2030 der Einbau von Lüftungen mit Wärmerückgewinnung in ca. 500.000 Wohnungen pro Jahr erforderlich. Mit den Energieeinsparungen könnten ca. 800.000 E-Autos ein Jahr lang betrieben werden.
- Im Zusammenspiel von Heizsystem und Gebäudelüftung fungiert das Lüftungssystem insbesondere in dichten Gebäuden als Ausgleich des sanierungsbedingten Lüftungsdefizits bei der Sanierung von Gasetagenheizungen.
- Einsparungen sind unabhängig vom Gebäudestandard auch bei erhöhtem Wärmeschutz bis hin zu Passivhäusern realisierbar.
- Für Lüftungssysteme mit WRG überwiegt bei der Ökobilanzierung der Anteil der Betriebsphase sowohl bei der Betrachtung der Primärenergie als auch der Treibhausemissionen deutlich. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die, insbesondere mit einer WRG erreichbare, Reduzierung von Heizenergie ausschlaggebend ist.
Im Detail
1. GrundsätzlicheUnterstützungfürdieZieledesReferentenentwurfs- Zielerreichung aber nur bei Nutzung aller Optionen realistisch – Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung (vermeidbare Lüftungswärmeverluste!) fehlt!
Der VfW bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme und unterstützt grundsätzlich das Ziel des Referentenentwurfs (im Folgenden: „RefE“), den Erneuerbaren Energien zum Durchbruch im Wärmesektor zu verhelfen. Es war überfällig, die Dekarbonisierung des Gebäudesektors entschlossen anzugehen. Alle in der Praxis tatsächlich hilfreichen Optionen sollten dann aber auch genutzt werden. Daher hält es der VfW für unerlässlich, auch die vermeidbaren Lüftungswärmeverluste aus der durch Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung gewonnenen Wärme zu adressieren. Durch Wärmerückgewinnung (WRG) in Lüftungsanlagen gewonnene Wärme sollte als (durch WRG) vermeidbar eingestuft und eine entsprechende Nummer in §71 GEG Abs. 3 RefE aufgenommen werden. Das wäre dann tatsächlich effizient! Ein Qualitätskriterium der Mindesteffizienz der Anlagen stellen wir unter 3. vor.
Auch Absatz fünf des RefE (S. 1 „A. Problem und Ziel“) sieht „Vorgaben für die Erhöhung der Energieeffizienz im Gebäudeenergiebereich vor, die schnell wirken und gewährleisten sollen, dass Heizenergie […] effizient genutzt wird.“ Das unterstützen wir ausdrücklich.
Effizient heizen bedeutet aber auch, mit den vorhandenen Ressourcen sorgfältig umzugehen. Das funktioniert nur, wenn wir die vermeidbaren Wärmeverluste minimieren. Die vermeidbaren Lüftungswärmeverluste können durch Lüftung mit Wärmerückgewinnung zu einem Großteil vermieden werden. Innerhalb der Wärmerückgewinnung haben sich in den letzten Jahren unterschiedliche Technologien etabliert, die auf deutschem Ingenieurswissen basieren und zu einem Großteil im Inland hergestellt werden. Dazu gehören im Sinne der Technologieoffenheit zentrale und dezentrale Lüftungssysteme und Luft-Wasser-Wasser Wärmepumpen
Denn nur unter Nutzung aller sinnvoller Optionen, inkl. WRG, wird das Ziel des RefE auch erreicht werden.
2. EfficiencyFirst!undWRG=EE!
Auf dem Weg in die Klimaneutralität 2045 sollte sich die Politik von den Prinzipien der Energie- und Ressourceneffizienz leiten lassen. Jede Wärmepumpe, jedes Windrad und jede Solarzelle muss unter Energieeinsatz und der Verwendung von Rohstoffen, die zum Teil nicht auf dem Gebiet des europäischen Binnenmarkts verfügbar sind, produziert werden. Daher bringt uns jede eingesparte Kilowattstunde erheblich weiter, als die, auch unter Einsatz von erneuerbaren Energien, erzeugte. Es sind somit grundsätzlich immer diejenigen Lösungen zu privilegieren, die den Energiebedarf eines Gebäudes senken – Efficiency First! – wie dies auch die langfristige Renovationsstrategie der Bundesregierung forderti. In der Studie „Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung als nachhaltige Schlüsseltechnologie zur Erreichung der Klimazieleii“, die von Prof. Dr. Thomas Hartmann (ITG Dresden) in Zusammenarbeit mit Dr. Burkhard Schulze Darup (Architekt aus Berlin) und Jürgen Leppig (Vorstand des GIH) für den VfW erstellt wurde, konnte nachgewiesen werden, wie umfassend Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung (WRG) die notwendigen Schritte zur Senkung des Energieverbrauchs unterstützt und daher im Gesamtkontext der sinnvollen Ressourcennutzung nicht mehr wegzudenken ist (s. Ergebnisse auf S. 2 dieser Stellungnahme).
Wenn wir nicht aufhören „aus dem Fenster zu heizen“, dürfen wir nicht von energieeffizienten Gebäuden sprechen. Lüftung mit Wärmerückgewinnung hat sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt, basiert auf deutschem Ingenieurwissen und wird im Wesentlichen in Deutschland hergestellt; das sichert Arbeitsplätze und Unternehmen im Inland.
Noch zu häufig werden in Deutschland Sanierungen durchgeführt, ohne dass eine Lüftung mit WRG eingesetzt wird. Leider werden aus Kostengründen eher einfache Abluftanlagen oder Fensterdurchlässe verbaut, was völlig widersinnig ist, wenn man gerade aufwändige Schritte unternommen hat, um die Transmissionswärmeverluste eines Gebäudes oder einer Wohnung zu begrenzen. Erst das Haus abzudichten, um dann wieder Schlitze in die Hülle zu schneiden, macht keinen Sinn. Und: Was im GEG für die Wärmerückgewinnung aus Abwasser gilt, muss auch für die Wärmerückgewinnung aus Abluft gelten, insbesondere auch bei Wohnungsabluft, nämlich die Anerkennung als Erneuerbare Energie.
WRG=EE!
Der VfW begrüßt ausdrücklich, dass die WRG von der Bundesregierung im Konsultationspapier zu 65% EE-Heizung im Sommer 2022 und der aktuellen BEG-Richtlinie des BMWK für Wohngebäude (BEG WG) als EE-Wärmeerzeugung eingestuft wird. Dies entspricht einer Forderung der Lüftungsbranche und ist logisch; denn eine (rück-)gewonnene Kilowattstunde Wärme muss nicht neu erzeugt werden.
In der BEG-Richtlinie WG kann nur derjenige eine Förderung nach der neuen EE-Klasse erhalten, der eine kontrollierte Wohnraumlüftung mit WRG einbaut. D.h., die WRG wurde dort erstmals verpflichtend gemacht. Das ist folgerichtig im Sinne der Zielerreichung der Wärmewende.
3. Vermeidbare Lüftungswärmeverluste im GEG adressieren
Wir halten es für eine verpasste Gelegenheit für die Wärmewende, dass im RefE kein Wort zur Lüftung mit Wärmerückgewinnung auftaucht, außer bei folgendem (ausschließenden) Passus (S. 101 oben RefE, in der Begründung), der die neue Definition in § 3 Abs. 1, Nr. 30a RefE (S. 13) erläutert:
„Nicht-prozessbezogene Wärme aus Abluft, Raumluft oder Fortluft kann ausschließlich dann als unvermeidbare Abwärme angerechnet werden, wenn sie über eine Wärmepumpe nutzbar gemacht wird. Darüber hinaus zählt Abwärme aus nicht-prozessbezogener Abluft (z. B. über Abluft- oder RLT- Anlagen) nicht als unvermeidbare Abwärme.“ (Heraushebung durch VfW.)
Die Reduzierung vermeidbarer Lüftungswärmeverluste unterstützt der VfW ausdrücklich. Allerdings stellt die Nutzung der Abwärme über eine Luft-Wasser-Wasser-Wärmepumpe nur eine Art der Wärmerückgewinnung innerhalb der Lüftungstechnik dar. Hier ist es wichtig, der geforderten Technologieoffenheit Rechnung zu tragen und zentrale und dezentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung ebenfalls einzubeziehen. Der o.g. Passus müsste daher lauten: „Abwärme aus nicht-prozessbezogener Abluft gilt nicht als unvermeidbare Abwärme, sondern als vermeidbare Lüftungswärmeverluste.“
Ergänzung des §71 RefE durch den Begriff „Vermeidbare Lüftungswärmeverluste“
Der VfW unterstützt die Anforderungen an Heizungsanlagen in §71 GEG RefE. 65% EE bei allen neuen Wärmeerzeugern stellen einen guten Einstieg in die Dekarbonisierung des Gebäudesektors dar. Auch die Kombinierbarkeit gem. § 71 Abs. 3 RefE ist sachgerecht, um diesen Einstieg in möglichst vielen Gebäuden nach Kräften zu erleichtern.
Fragen zu den Erfüllungsoptionen, die im Sommer im Konsultationspapier von BMWK und BMWSB zu 65% EE-Heizung die Abwärmenutzung durch RLT-Anlagen bzw. Wärmerückgewinnung auf S. 7f. des Konsultationspapiers betrafen, finden im RefE jedoch leider gar keinen Widerhall, nämlich:
- „Kann Abwärmenutzung bei RLT-Anlagen als EE eingestuft und berücksichtigt werden?
- -Sollte die Einführung einer zu Wärmepumpen vergleichbaren äquivalenten Leistungszahl der Wärmerückgewinnung vorgesehen werden?
- Sollten die hybriden Systeme (bspw. Einbau einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung) ausgeweitet werden?“
Es ist zwar nachvollziehbar, dass sich BMWK und BMWSB beim Wortlaut des § 3 Abs. 1, Nr. 30a RefE (S. 13) möglichst eng am gegenwärtigen Stand des (weit fortgeschrittenen) Prozesses zur Überarbeitung der EPBD orientieren, nämlich an der Definition von „Abwärme“ in Art. 2, Nr. 45a in den vom Europaparlament am 14.03.2023 verabschiedeten Abänderungen am Kommissionvorschlag zur EPBD, mit denen das EP in den Trilog der drei Institutionen geht.
Dies darf aber nicht dazu führen, dass eine Technologie ausgeschlossen wird, die eine Schlüsseltechnologie der Wärmewende ist, wie in den o.g. Studien nachgewiesen wurde, nämlich die Reduzierung vermeidbarer Lüftungswärmeverluste.
Vorschlag: Neubauten und Sanierungen mit Lüftungsanlagen mit WRG für Effizienzziele
Die Effizienz beheizter Gebäude wurde bereits von der Politik auf allen Ebenen als wichtigstes Mittel für die Erreichung der Wärmewende identifiziert. Demzufolge ist die Reduzierung vermeidbarer Lüftungswärmeverluste unabdingbar und in jedem neugebauten oder ganzheitlich sanierten Gebäude (nach BEG WG) durch den Einsatz von Lüftung mit WRG vorzusehen.
Um dies so effizient wie möglich zu gestalten, schlagen wir den folgenden zweistufigen Ansatz für den Neubau vor:
a) Baldmöglichst sollte in jedem Anlagenkonzept eines Neubaus die größtmögliche Reduzierung der vermeidbaren Lüftungswärmeverluste verpflichtend sein.
- Die Auslegung des Lüftungssystems erfolgt nach DIN 1946-6.
- Der auf Tages-Basis volumenstromgewichtete Wärmebereitstellungsgrad der Lüftung soll mindestens 70% über die gesamte Nutzungseinheit betragen.
- Spezifischer Energieverbrauch der Lüftungsanlage (SEV) ≤ – 23 kWh/(m2/a) – aktuell ERP-Labelklasse C*.
SEV (oder SEC auf Englisch) = Kennwert für den spezifischen Energieverbrauch
Dieser Wert spiegelt die mögliche Primärenergieeinsparung (Stromaufwand für Ventilatoren minus Heizenergieeinsparung) eines Lüftungsgerätes in Relation zu einer Fensterlüftung gleicher Luftqualität. Der Wert ist negativ und je kleiner dieser Wert ist (je größer der Betrag ist), desto mehr Primärenergie spart das Gerät ein.
b) Zwei Jahre nach Einführung wird dieser Ansatz dann verschärft:
- Der auf Tages-Basis volumenstromgewichtete Wärmebereitstellungsgrad der Lüftung soll mindestens 80% betragen.
- SEV ≤ – 34 kWh/(m2/a) – aktuell ERP-Labelklasse A* oder COPäquivalent ≥ 15 bei 7°C.
(*sofern sich die Labelklassen auf europäischer Ebene ändern, sind diese Anforderungen anzupassen).
Mit dieser Regelung würde endlich hygienisch und nutzerunabhängig nach DIN 1946-6 be- und entlüftet und damit schon jetzt ein deutliches Zeichen in Bezug auf die kommende EPBD gesetzt.
Einschub: Diese Abbildung verdeutlicht:
- Lüftung mit WRG ermöglicht die gleichzeitige Umsetzung verschiedener Ziele: Bauschadensfreiheit, Gesundheit, Hygiene, Behaglichkeit und Schallschutz sind in Verbindung mit Energieeinsparung erreichbar.
- Manuelle Fensterlüftung wird weitestgehend überflüssig.
Microsoft Word – 2023-04-20 Stellungnahme des VfW zur GEG-Novelle final-inkl Bemerkung zum Inhalt nach Kabinettsbeschluss
Diese Herangehensweise wäre ein großer Schritt nach vorne in Sachen Klimaschutz und Energieunabhängigkeit, da bisher noch 2/3 aller Wohngebäude ohne Lüftung mit WRG neu gebaut werden. Für eine Übergangszeit lässt man damit noch die bedarfsgeführte Abluft zu – aber eben nur die „temporär bedarfsgeführte Abluft“ (z.B. einen Lüfter im innenliegenden Bad, der nur eine bestimmte Zeit läuft, da er an den Lichtschalter gekoppelt ist), nicht die permanente Abluft ohne Wärmerückgewinnung.
Dieser zweistufige Ansatz erklärt sich folgendermaßen: Es ist hier eine gewisse Übergangszeit notwendig. Mit einem Start bei 70% Wärmebereitstellungsgrad verschafft man den Lüftungsherstellern und Bauträgern die notwendige Zeit und Flexibilität, um ihre Produktion bzw. Planung anzupassen. So vermeiden wir einen weiteren Lieferengpass durch eine zu abrupte Eingrenzung der Systemvielfalt.
Gleichlautend gilt für die Sanierung nach BEG WG:
- Die Auslegung des Lüftungssystems erfolgt nach DIN 1946-6.
- Der auf Tages-Basis volumenstromgewichtete Wärmebereitstellungsgrad der Lüftung soll mindestens 70% betragen.
- SEV ≤ – 23 kWh/(m2/a) – aktuell ERP-Labelklasse C*
(*sofern sich die Labelklassen auf europäischer Ebene ändern, sind diese Anforderungen anzupassen).
In anderen Mitgliedstaaten der EU (vor allem, aber nicht nur in Skandinavien) besteht bereits eine Verpflichtung für Lüftung mit WRG. In manchen Mitgliedstaaten, wie z.B. Slowenien, stellt hingegen (ohne gesetzliche Verpflichtung) das Fördersystem einen solch starken Faktor dar, dass WRG den Gebäudesektor in Neubau und Bestand wesentlich stärker durchdrungen hat als in Deutschland.
Auswirkungen einer größtmöglichen Reduzierung der vermeidbaren Lüftungswärmeverluste
In den folgenden Balkendiagrammen aus der 2. ITG-Kurzstudie zur WRG als Schlüsseltechnologie der Wärmewende werden die Einsparungen von End- und Primärenergie (Y-Achse links) sowie von Treibhausgasen (Y-Achse rechts) durch Lüftungsanlagen mit WRG gegenüber einer Fensterlüftung im Neubau (EH 40) sowie im Wohngebäudestand veranschaulicht, wobei zwischen marktüblichen und marktführenden Anlagen differenziert wird. Dabei ist davon auszugehen, dass die marktführenden Anlagen in den nächsten Jahren zum neuen Marktstandard werden. Die auf die Wohnfläche bezogenen Einsparpotenziale im Gebäudebestand zeigt beispielhaft die folgende Abbildung.
Im Neubau lässt sich der (End- und Primär-)Energiebedarf um 49 bis 69% und die THG-Emissionen um 49 bis 70% (CO2-Minderung 1,4 bis 2,0 kg/m2a) verringern. Im Bestand können der (End- und Primär-)Energiebedarf um 16 bis 20% und die Treibhausgasemissionen um 15 bis 19% reduziert werden (CO2-Minderung 4,9 bis 6,0 kg/m2a).
BEG als Referenz
In der BEG WG/ NWG existiert erstmals eine Verpflichtung des Einbaus einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, nämlich dann, wenn BEG-Förderung für die neue EE-Klasse beantragt wird. Dies begrüßen wir als Schritt in die richtige Richtung und es gehört so folgerichtig auch in das GEG. Nur wenn die vermeidbaren Lüftungswärmeverluste maximal reduziert werden, dürfen wir von energieeffizienten Gebäuden sprechen.
Verankerung im Referenzhaus
Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung muss ferner im Referenzgebäude des GEG abgebildet werden. Das Referenzgebäude wird von vielen als richtungsweisend gesehen. Die Politik fordert von den Bürger:innen Energie zu sparen und darf somit im richtungsweisenden Referenzgebäude keine reine Abluftanlage akzeptieren. Vermeidbare Lüftungswärmeverluste sollten auch hier unterbunden werden.
4. Kombination der Wärmerückgewinnung mit Stromdirektheizungen/Biomasse
Wenn Gebäude mit Stromdirektheizungen gem. § 71d RefE betrieben werden, bedeutet die Vorgabe „45% unter dem baulichen Wärmeschutz“ im Neubau gem. § 71d, Abs. 1 RefE (wie beim aktuellen Passivhaus-Standard), dass als größte Wärmeverluste die vermeidbaren Lüftungswärmeverluste übrigbleiben. Daher ist es notwendig, wie beim Passivhaus auch, eine Lüftung mit WRG als Ergänzung in § 71d RefE vorzusehen, um neben den erhöhten Anforderungen des Wärmeschutzes (= Transmissionwärmeverluste) auch die vermeidbaren Lüftungswärmeverluste durch WRG auf ein Minimum zu begrenzen.
Auch im Bestand ist der Einbau einer Stromdirektheizung gem. § 71d, Abs. 2 RefE nur zulässig, wenn das Gebäude die Anforderungen an den baulichen Wärmeschutz um mindestens 30 Prozent unterschreitet. Auch hier besteht der größte Wärmeverlust im vermeidbaren Lüftungswärmeverlust, der durch WRG vermieden werden muss.
Diese Kombination von Stromdirektheizungen und Lüftung mit WRG ist extrem sinnvoll, um die knappe Ressource „Strom“ zu schonen.
Dies sollte ferner bei der Verwendung von Biomasse als Energieträger gem. § 71e und § 71f RefE gelten; denn hier stellt sich das Ressourcenknappheitsproblem und damit die Effizienzfrage noch stärker.
5. Gasetagenheizungen
Wir möchten daran erinnern, dass beim Ersatz von Gasetagenheizungen durch eine Zentralheizung das ursprüngliche Lüftungskonzept obsolet wird und ein neues erstellt werden muss; denn Gasetagenheizungen brauchen Raumluft zur Verbrennung, die sie durch Ansaugen von Außenluft (durch Undichtigkeiten in der Gebäudehülle) erhalten. Fällt dieser Faktor weg, ist unwahrscheinlich, dass der Mindestluftwechsel der betroffenen Wohneinheiten zum Feuchteschutz noch gegeben ist. Es ist also beim Ersatz von Gasetagenheizungen darauf zu achten, dass sich diese Veränderungen in neuen Lüftungskonzepten niederschlagen.
Gem. der o.g. 2. ITG-Kurzstudie fungiert im Zusammenspiel von Heizsystem und Gebäudelüftung das Lüftungssystem insbesondere in dichten Gebäuden als Ausgleich des sanierungsbedingten Lüftungsdefizits bei der Sanierung von Gasetagenheizungen (s. Auszug aus Ergebnissen auf S. 2 dieser Stellungnahme).