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Haftungsrisiken bei Verzicht auf lüftungstechnische Maßnahmen in Wohnungen

Rechtsgutachten des Bundesverbandes für Wohnungslüftung e. V. 2., überarbeitete Auflage, August 2014.

Die Rechtsfrage der Haftung bei Feuchte- und Schimmelschäden sowie schlechte Raumluftqualität in Wohnungen bleibt für alle am Bau Beteiligten ohne klare gesetzliche Regelung unsicher. Das aktuelle Rechtsgutachten des Bundesverbandes für Wohnungslüftung zeigt die Haftungslage für Bauherren, Planer und Bauausführende auf, wenn Wohngebäude ohne Lüftungsanlagen neu geplant, renoviert oder saniert werden.

Das Ergebnis

Planer und Bauausführende, die bei Neubau oder Renovierung eines Wohnhauses auf lüftungstechnische Maßnahmen verzichten, setzen sich erheblichen Haftungsrisiken aus. Zwar kann heute noch nicht zuverlässig davon ausgegangen werden, dass eine lüftungstechnische Maßnahme oder gar ein ventilatorgestütztes Lüftungssystem in jedem Falle zwingend erforderlich ist, doch birgt die Alternative, den vorgeschriebenen Luftaustausch allein der zusätzlichen Fensterlüftung der Bewohner zu überlassen, erhebliche rechtliche Risiken.

Rechtliche und technische Grundlagen

Die Energieeinsparverordnung (EnEV) und die DIN 4108-2 (Wärmeschutz und Energieein- sparung in Gebäuden, Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz) schreiben vor: `Die Gebäudehülle muss dauerhaft luftundurchlässig abgedichtet sein. ́ Außerdem muss ein ausreichender Luftwechsel gewährleistet sein, um zu hohe Luftfeuchte und zu hohe Schad- stoffkonzentrationen zu vermeiden. Obwohl in der aktuellen Fassung der DIN 4108-2 der vorher für die Mindestlüftung angeführte Luftwechsel von n = 0,5 h-1 nicht mehr enthalten ist, kann nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse davon ausgegangen werden, dass diese Größenordnung des Mindestluftwechsel nach wie vor nicht in Frage steht und lediglich die zu pauschale Fixierung auf einen Wert nicht angezeigt zu sein scheint.

Demgegenüber liegt der Luftwechsel, der sich durch die Gebäudeleckagen bei der heute üblichen dichten Bauweise einstellt, rechnerisch (nach DIN V 4701-10 bzw. DIN 1946-6) lediglich in einer Größenordnung von

  • n = 0,2 bis 0,3 h-1 bei normalen Gebäuden
  • n = 0,1 bis 0,15 h-1 bei Gebäuden mit ventilatorgestützter Lüftung.

Fazit: Für den notwendigen Luftaustausch sind weitere Lüftungsmaßnahmen notwendig.

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Ist es den Bewohnern zuzumuten, den notwendigen Luftaustausch über manuelle Fensterlüftung sicherzustellen?

  • Die Minimalforderung von Raumlufthygiene-Experten sind mehrere Stoßlüftungen am Tag durch das Öffnen der Fenster für ca. zehn Minuten. Manche fordern sogar die Fens- ter alle zwei Stunden zu öffnen – auch nachts.
  • Dies ist einem Mieter nicht zuzumuten, so die meisten einschlägigen Gerichtsurteile: Eine Wohnung müsse so beschaffen sein, dass bei einem üblichen Wohnverhalten die erforderliche Raumluftqualität ohne besondere Lüftungsmaßnahmen gewährleistet ist.

Im Schadensfall reichen Regeln der Technik nicht

Auch wenn aus den allgemein anerkannten Regeln der Technik das Erfordernis lüftungs- technischer Maßnahmen derzeit noch nicht zwingend abgeleitet werden kann, nützt es im Falle einer Klage dem Planer oder Bauausführenden wenig, wenn er nachweisen kann, sich an diese gehalten zu haben. Für die Frage der Haftung kommt es nämlich entscheidend darauf an, welche Beschaffenheit unter Umständen auch stillschweigend vorausgesetzt wurde und ob sich das Gebäude für die beabsichtigten Wohnzwecke auch eignet.

Haftungsrisiko

Lässt sich der erforderliche Luftwechsel nur durch Lüftungsmaßnahmen erreichen, die von der Beschaffenheitsvereinbarung abweichen, liegt ein Werkmangel vor, für den der Planer bzw. der Unternehmer einzustehen hat. Wurde keine Vereinbarung darüber getroffen, dass der nach den technischen Regelwerken zu gewährleistende Luftwechsel ohne Lüftungskonzept nach DIN 1946-6 und daraus ggf. resultierende lüftungstechnische Maßnahmen und nur durch zusätzliches Fensteröffnen des Nutzers erreicht werden kann, ergibt sich hieraus ein beträchtliches Haftungsrisiko.

Laut Rechtsgutachten kann schon heute in Zweifel gezogen werden, ob die Sicherstellung des notwendigen Luftaustausches nur über Fensterlüftung noch den Regeln der Technik entspricht. Hier bewegt sich die Baubranche derzeit noch in einer rechtlichen Grauzone. Das ist insofern problematisch, als der Auftragnehmer zum Zeitpunkt der Abnahme ein mangelfreies Werk schuldet, die Regeln der Technik sich aber im Laufe des Bauvorhabens ändern können.

Nach Einschätzung der Rechtsexperten werden ventilatorgestützte Lüftungssysteme zu einem nicht näher zu bestimmenden Zeitpunkt im Wohnungsbau zu den anerkannten Regeln der Technik gehören und somit schon nach allgemeinen Grundsätzen vorzusehen sein. Diesen Zeitpunkt sollten die Bauausführenden nicht verpassen.

Das Rechtsgutachten kann per E-Mail info@wohnungslueftung-ev.de vom VfW–Bundesverband für Wohnungslüftung e.V. zum Preis von 42,80 Euro plus Versandkosten bestellt werden.

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